• Die Binnenschifffahrt in ihrer heutigen Struktur stützt sich auf traditionelle Marktsegmente, wie die Segmente Stahl, landwirtschaftliche Erzeugnisse und Nahrungsmittel sowie Chemikalien.
• Für die Beförderung im Zusammenhang mit der Stahl- und der chemischen Industrie wird in den Jahren 2021 und 2022 eine Erholung erwartet. Bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen wird erwartet, dass geringere Ernteergebnisse im Jahr 2021 und teilweise auch im Jahr 2022 die Transportnachfrage dämpfen werden.
• Der Containertransport wird mittel- und langfristig ungünstigeren makroökonomischen Rahmenbedingungen ausgesetzt sein, da der Welthandel mit Waren aufgrund anhaltender Trends wie der Digitalisierung und dem Wachstum des Dienstleistungssektors eine strukturelle Verlangsamung erfahren dürfte.

 

KURZFRISTIGE PERSPEKTIVE

 

  • Die Binnenschifffahrt in ihrer heutigen Struktur stützt sich auf traditionelle Marktsegmente, die ihre quantitative Basis bilden. Beispiele sind die Segmente Stahl, landwirtschaftliche Erzeugnisse und Nahrungsmittel ebenso wie Chemikalien.

 
Segmente Eisenerz und Stahl
 

  • Auf dem Rhein entfallen etwa 25% des gesamten Güterverkehrs auf die Stahlproduktion (Eisenerz, Stahlschrott, Kokskohle, Metalle, Metallprodukte). Auf der Donau ist dieser Anteil noch höher und beträgt für die mittlere Donau 45-55%.33
  • Die Stahlproduktion in den Rheinstaaten war im Zeitraum 2014-2018 recht stabil, ging aber in den Jahren 2019 und 2020 aufgrund von Handelsbarrieren und dem Abwärtstrend in der Automobilproduktion zurück. Dies beeinträchtigte den Eisenerztransport auf dem Rhein (siehe Abbildungen unten).
  • Nach Angaben der Wirtschaftsvereinigung Stahl lag der Anteil der Binnenschifffahrt an der Logistik der deutschen Stahlindustrie im Jahr 2019 bei 30,5%. Im Jahr 2018 war sie aufgrund der niedrigen Wasserstände auf 28,8% gesunken. In den vergangenen Jahren lag der Modal Split-Anteil bei 31,3% (2017) und 30,6% (2016).34 Insgesamt deuten diese Zahlen nicht darauf hin, dass Verluste beim Modal Split die Haupterklärung für den Rückgang der Eisenerzbeförderung auf dem Rhein sind. Der Rückgang scheint vor allem auf die oben genannten makroökonomischen Faktoren zurückzuführen zu sein.

 

ABBILDUNGEN 1 UND 2: STAHLPRODUKTION IN DEN RHEINSTAATEN UND BEFÖRDERUNG VON EISENERZ AUF DEM TRADITIONELLEN RHEIN



Quellen: Weltstahlverband, Eurofer, Destatis, Berechnung ZKR
 

  • Zwischen 2014 und 2020 folgte die gesamte Stahlproduktion in den Donauländern einem ähnlichen Trend wie in den Rheinstaaten. Aber im Gegensatz zur Rheinregion stieg die Beförderung von Eisenerz. Dies lässt sich dadurch erklären, dass in den Donauländern, in denen die Stahlindustrie die Binnenschifffahrt intensiv nutzt (Rumänien, Ungarn und Serbien), die Stahlproduktion zwischen 2014 und 2019 zugenommen hat: um 9% in Rumänien, um 54% in Ungarn und sogar um 231% in Serbien.
  • Die Verkehrsleistung für Eisenerz auf der unteren Donau (Rumänien, Bulgarien) spiegelt nicht nur den Eisenerzbedarf in Rumänien und Bulgarien wider, sondern auch die Nachfrage nach Eisenerz in den Ländern der mittleren Donau wie Ungarn und Serbien. Der Grund dafür ist, dass das Eisenerz auf der Donau stromaufwärts transportiert wird, aus der Schwarzmeerregion in Richtung Ungarn und Serbien. Ein Teil der Verkehrsleistung für Eisenerz in Rumänien und Bulgarien ist daher auf den mittleren Donauraum ausgerichtet.

 

ABBILDUNGEN 3 UND 4: STAHLPRODUKTION IN DEN DONAUSTAATEN UND BEFÖRDERUNG VON EISENERZ AUF DER UNTEREN DONAU



Quellen: Weltstahlverband, Eurofer, Eurostat [IWW_GO_ATYGO]
* Untere Donau = Rumänien und Bulgarien. Daten für die mittleren Donaustaaten fehlten meist.

 
Ausblick für das Stahlsegment
 

  • Nach Angaben des europäischen Stahlverbands Eurofer litt der sichtbare Stahlverbrauch (Stahlnachfrage) im Jahr 2020 erheblich unter der Pandemie und verzeichnete einen Rückgang von -11,1%. Für 2021 wird ein Wiederanstieg von +11,7% und für 2022 ein weiteres Wachstum von moderaten +4,9% erwartet, womit das Niveau vor der Pandemie erreicht wird. Der Grund für den Anstieg liegt in der Steigerung der Nachfrage aus stahlverarbeitenden Branchen.35
  • Auch der Weltstahlverband sieht in seinem kurzfristigen Ausblick vom April 2021 eine Erholung der Stahlproduktion in der Europäischen Union voraus, und zwar um +10,2% im Jahr 2021 und um 4,8% im Jahr 2022.36

 
Landwirtschaftliche Erzeugnisse und Nahrungsmittel
 

  • Landwirtschaftliche Erzeugnisse und Nahrungsmittel haben einen Anteil von rund 9% an der Rheinschifffahrt und rund 16% an der Donau. Wie in Kapitel 1 beschrieben, waren die Ernteergebnisse in Europa (und in den USA) im Jahr 2020 eher niedrig, was auch durch die Eurostat-Zahlen zum Ertrag der Getreideernte bestätigt wird. Aber die landwirtschaftlichen Transporte in einem bestimmten Jahr werden teilweise durch die Ernteergebnisse des Vorjahres bestimmt. Dies erklärt die hohe Verkehrsleistung in den Donauländern.

 

ABBILDUNGEN 5 UND 6: ERTRAG DER GETREIDEERNTE IN DEN RHEINSTAATEN UND TRANSPORT VON LANDWIRTSCHAFTLICHEN ERZEUGNISSEN



Quelle: Eurostat [APRO_CPSH1] und [IWW_GO_ATYGO]
 

ABBILDUNGEN 7 UND 8: ERTRAG DER GETREIDEERNTE IN DEN DONAUSTAATEN UND TRANSPORT VON LANDWIRTSCHAFTLICHEN ERZEUGNISSEN



Quelle: Eurostat [APRO_CPSH1] und [IWW_GO_ATYGO]
 
Ausblick für das Landwirtschaft-/Lebensmittelsegment
 

  • Die Beförderung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen ist mit der Getreideernte verknüpft. Dies zeigt sich insbesondere in Frankreich, wo die langfristigen Daten für beide Variablen durch eine positive lineare Trendkurve37 ausgedrückt werden können, aber es ist auch der Fall bei anderen Rhein- und Donaustaaten.
  • Durch die Lagerung von Ernteerzeugnissen beeinflusst das Produktionsniveau in einem bestimmten Jahr auch die Beförderungsmenge im Folgejahr. Das schwache Ernteergebnis im Jahr 2020 wird sich daher negativ auf die Beförderung landwirtschaftlicher Erzeugnisse im Jahr 2021 auswirken.
  • Auch deuten, laut der Marktbeobachtung der Donaukommission, die Prognosen für den Markt von Getreide (Weizen, Gerste, Mais) auf einen tendenziellen Rückgang der Beförderungsmengen in der Saison 2020/2021 hin, bedingt durch die starken Auswirkungen der Trockenheit im Frühjahr und Sommer in den südöstlichen Donauländern.

 
Chemikalien
 

  • Der Anteil von Chemikalien am gesamten Rhein- bzw. Donautransport belief sich in 2019 auf 10,8% bzw. 11,8%.
  • Die Verkehrsleistung für Chemikalien in den Rheinstaaten ist in den letzten fünf Jahren mehr oder weniger konstant geblieben, mit nur einem deutlichen Rückgang im Jahr 2018 (Niedrigwassereffekt). Was die Donauländer betrifft, so sind die Mengen an Chemikalien, die auf der Donau transportiert werden, geringer als auf dem Rhein. Die Verkehrsleistung folgt jedoch einem positiven Trend, mit einigen Schwankungen. Insbesondere von 2019 bis 2020 ist ein signifikanter Anstieg von 39% bei der Beförderung von Chemikalien auf der Donau zu verzeichnen.

 

ABBILDUNGEN 9, 10, 11 UND 12: INDEX DER CHEMISCHEN PRODUKTION IN DEN RHEIN- UND DONAUSTAATEN UND TRANSPORT VON CHEMISCHEN PRODUKTEN





Quelle: Eurostat [STS_INPR_A], [IWW_GO_ATYGO]
* Daten für Bosnien-Herzegowina, Kroatien, Serbien und die Slowakei sind nicht verfügbar.

 
Ausblick für das Chemikaliensegment
 

  • Laut dem CEFIC Economic Outlook 2021 für die europäische Chemieindustrie38 wird erwartet, dass die Produktion der chemischen Industrie im Jahr 2021 um 3% und im Jahr 2022 um 2% wachsen wird. Allerdings herrscht angesichts der Pandemie und ihrer anhaltenden Auswirkungen Unsicherheit über die längerfristigen wirtschaftlichen Aussichten.

 

LANGFRISTIGE PERSPEKTIVE

 

TABELLE 1: TRADITIONELLE GÜTERSEGMENTE

SegmentPotenzialWichtigste EinflussfaktorenLangfristiger Trend für die Binnenschifffahrt
Chemikalien++Hoher Innovationsgrad der chemischen Industrie in EuropaDie Binnenschifffahrt bleibt der bevorzugte Transportweg für Chemikalien
Container+Verringerung der Wachstumsraten im weltweiten Warenhandel und dem damit verbundenen Seehandel (aufgrund des Wachstums des Dienstleistungssektors und der Digitalisierung)Wachstum auf Langstrecken setzt sich fort, aber mit niedrigeren Raten, höheres Potenzial für städtischen Containerverkehr
Sande, Steine, Baustoffe+Die Binnenschifffahrt ist eine bevorzugte Transportart für Verlader, und das Wachstum im Bausektor wird in Westeuropa (WE) positiv sein Mäßiges Wachstum auf bestehenden Langstrecken, städtische Gebiete haben höheres Potenzial
Metalle und Metallprodukte:0/+Wirtschaftswachstum in Schwellenländern führt zu mehr Nachfrage nach Stahl Metall- und Stahlbeförderung kann begrenzt wachsen
Mineralölprodukte0/-Mineralölprodukte werden auch im nächsten Jahrzehnt noch als Kraftstoff benötigt, aber ein allmählicher Rückgang ist bereits im GangeAllmählicher Rückgang in den meisten Regionen, aber positive Ausnahmen sind möglich
NahrungsmittelWE*: 0/-
OE: 0/+
Rückgang der Nutztierhaltung in Westeuropa aufgrund von Stickstoff- und anderen Emissionen, Verlagerung von Teilen dieser Aktivitäten nach Osteuropa (OE)Rückgang der Lebensmitteltransporte bedingt durch geringere Viehhaltung in WE. Für OE wird eine stabilere oder sogar positive Entwicklung erwartet
EisenerzeWE: -
OE: +
WE) Eine gewisse Sättigung der Stahlnachfrage und weniger Eisenerzintensität in der Stahlproduktion
OE) Starkes Wachstumspotenzial
in der Stahlnachfrage
Es wird erwartet, dass die Beförderung von Eisenerz in WE abnimmt, während sie in OE für eine gewisse Zeit zunehmen wird
KohleWE: -
OE: 0/+
Ausstieg aus der Kohle im Energiesektor und allmählicher Rückgang des Kohleeinsatzes in der StahlindustrieRückgang des Kohletransports in WE, zumindest Stagnation in OE

*WE = Westeuropa; OE = Osteuropa
 

TABELLE 2: NEUE GÜTERSEGMENTE

SegmentPotenzialWichtigste EinflussfaktorenLangfristiger Trend für die Binnenschifffahrt
Projektladung, schwere und übergroße Ladung+Energiewende (Windmühlen),Strombedarf (Transformatoren), Engpässe für die Beförderung dieser Art von Gütern mit anderen VerkehrsträgernDie IWT profitiert von ihren großen Raumkapazitäten für Projektladung, schwere und übergroße Ladung und ihrer Flexibilität
Recycling, Kreislaufwirtschaft +Die Industrie in Europa muss energieeffizienter werden und die emissionsintensive Produktion reduzieren. Außerdem ist die Verfügbarkeit von Basismaterialien in Europa begrenzt, und die Preise für Basismaterialien werden aufgrund der steigenden Nachfrage in den Schwellenländern weltweit steigen.Die Binnenschifffahrt ist bereits im Transport von Recyclingmaterial tätig und wird diese Tätigkeit voraussichtlich noch verstärken
Biomasse +Energiewende, Bedarf an mehr Biokraftstoff, Kompensation des Rückgangs der NahrungsmittelproduktionDie Binnenschifffahrt hat große Kapazitäten für den Transport dieser Materialien
Wasserstoff, Methanol, synthetische Kraftstoffe +Im zukünftigen Energiesystem können diese Brennstoffe wichtige Elemente sein, möglicherweise in Kombination mit Strom und BatterienTrend steht noch am Anfang, Transport möglicherweise per Pipeline oder per Container auf See- und Binnenschiffen (oder durch eine Kombination dieser Verkehrsträger). Großes Potenzial ab 2030.

Quellen: CCNR, Royal HaskoningDHV