- Das Jahr 2022 war von Ereignissen überschattet, die sich auf die Wirtschaft im Allgemeinen negativ auswirkten. Der Binnenschifffahrtssektor (IWT) konnte sich den negativen Auswirkungen des bewaffneten Konflikts zwischen Russland und der Ukraine nicht entziehen. Neben anderen ungünstigen Faktoren wirkten sich vor allem die Niedrigwasserereignisse, der rasche Anstieg der Rohstoffpreise und die Energiekrise allgemein negativ auf die Aktivitäten in der Binnenschifffahrt aus. Alle Gütersegmente, mit Ausnahme von Kohle, wiesen eine negative Wachstumsrate in Bezug auf ihr Transportvolumen auf, wobei das Ausmaß der negativen Auswirkungen variierte. Im Jahr 2022 wurde eine wirtschaftliche Rezession im Güterverkehrssektor der Binnenschifffahrt festgestellt. Die Menge der in Europa beförderten Güter ging um 5,5% zurück. Auf dem gesamten Rhein (von Basel bis zur Nordsee) betrug dieser Rückgang 6,8% im Vergleich zu 2021: insbesondere der traditionelle Rhein (von Basel bis zur deutsch-niederländischen Grenze) wies ein Minus von 7,8% auf, während das Rheindelta in den Niederlanden (von der deutsch-niederländischen Grenze bis zur Nordsee) im Vergleich zu 2021 einen Rückgang um 5,7% verzeichnete. Während es auf der Donau zwar Ende 2021 und in den ersten beiden Monaten des Jahres 2022 positive Anzeichen für ein gewisses Wachstum der Beförderungsmengen gab, führte der Krieg in der Ukraine doch zum Auftreten mehrerer Faktoren, die die Donauschifffahrt beeinträchtigten. Infolgedessen gingen die Beförderungsmengen im Jahr 2022 in allen Gütersegmenten zurück.
- Aufgrund der Energiekrise im Jahr 2022 stieg die Nachfrage nach Erdgas und zu Beginn des Jahres schossen die Preise regelrecht in die Höhe. Dies führte dazu, dass andere Energieoptionen wie Kohle anstelle von Erdgas genutzt wurden. Infolgedessen stieg die Nachfrage nach Kohle deutlich an, was zu einer Wachstumsrate von +10,6% für den gesamten Rhein im Vergleich zu 2021 beitrug. Der Krieg zwischen Russland und der Ukraine, akzentuiert durch die Niedrigwasserzeiträume im Jahr 2022, der Anstieg der Rohstoffpreise, der die Produktionskosten in die Höhe trieb, und die Schließung der ukrainischen Häfen am Schwarzen Meer, alle diese Faktoren trugen zu einer Verlangsamung der Nachfrage bei den übrigen Segmenten und folglich zu einem Rückgang der Güterbeförderung bei. Auf dem Rhein verzeichneten Metalle (-7,5%), Baustoffe (Sand, Steine, Kies) (-12,1%), Container (-11,1%) sowie landwirtschaftliche Erzeugnisse und Nahrungsmittelprodukte (-5,9%) starke Rückgänge. Im Gegensatz zum deutlichen Anstieg im Jahr 2021 verzeichnete das Segment Eisenerz (-2,8%) im Jahr 2022 einen leichten Rückgang. Auch die chemische Industrie (-1,6%) sah 2022 einen leichten Rückgang im Vergleich zu dem im Vorjahr beobachteten moderaten Wachstum. Auf der Donau wurden die Beförderungsmengen negativ beeinflusst, vor allem im oberen und im mittleren Abschnitt. Insbesondere die Beförderung von Getreide und anderen landwirtschaftlichen Erzeugnissen, stromabwärts (von den Häfen der mittleren Donau in Richtung Constanţa) erlebte einen signifikanten Einbruch. Die untere Donauregion, vor allem die Kanäle, die die Donau mit dem Schwarzen Meer verbinden, sah dagegen im Güterverkehr einen deutlichen Aufwärtstrend.
- Die rezessive Wirtschaftslage weitete sich auch auf die wichtigsten europäischen Seehäfen aus. Einige Seehäfen wie Hamburg und der Nordseehafen Gent-Terneuzen verzeichneten im Jahr 2022 dennoch positive Wachstumsraten. Der Hafen von Rotterdam (-4,1%) erlebte einen Rückgang der in der Binnenschifffahrt umgeschlagenen Warenmengen, ebenso wie der Hafen von Antwerpen-Brügge (-7,5%). Der Binnenschiffsumschlag im Hafen von Constanţa blieb auf einem ähnlichen Niveau wie 2021. Seit Beginn des Krieges erreichte die Gütermenge in der Binnenschifffahrt in diesem Hafen im Zusammenhang mit der Ukraine 5,4 Millionen Tonnen. Auch in den wichtigsten Binnenhäfen war 2022 ein Rückgang zu beobachten, mit Ausnahme der beiden ukrainischen Häfen Reni und Ismail, die einen außergewöhnlichen Anstieg der Binnenschifffahrtsmengen verzeichneten, da sie die ukrainischen Getreideexporte über alternative Routen unterstützen mussten.
- Die Binnenschifffahrt im Jahr 2022 war außerdem stark von den im Juli und August 2022 beobachteten Niedrigwasserperioden betroffen. Zwischen 2015 und 2022 waren die Jahre 2018 und 2022 die beiden Jahre mit der höchsten Anzahl von Niedrigwassertagen. Dies spiegelt sich an Rhein und Donau in einer höheren Anzahl kritischer Niedrigwassertage im Jahr 2022 im Vergleich zu 2021 wider. Diese Zahl fiel jedoch niedriger aus als im Jahr 2018. Für den Pegel Kaub am Mittelrhein beispielsweise lag die Zahl der Tage unter dem gleichwertigen Wasserstand im Jahr 2022 bei 41, verglichen mit 10 im Jahr 2021 und 107 im Jahr 2018. An der Donau verzeichneten die beiden deutschen Pegelstationen an der oberen Donau, Pfelling und Hofkirchen, im Jahr 2022 mehr Niedrigwassertage als im Jahr 2021.
- Aufgrund des Niedrigwassereffekts stiegen die Frachtraten aller Marktsegmente im Jahr 2022 im Durchschnitt um +42,5% im Vergleich zu 2021. Seit 2020 folgen die Frachtraten für Trockengüter und Container einem Aufwärtstrend, der auf die Erholung der Nachfrage nach der Pandemie zurückzuführen ist und 2022 durch den boomenden Kohletransport, die Verlagerung von Schiffskapazitäten vom Rhein in die Donauregion und die niedrigen Wasserstände noch verstärkt wird. Die Frachtraten für Flüssiggüter waren seit 2019 rückläufig, da sich die Beförderungsnachfrage sowohl während als auch nach der Pandemie im Vergleich zur Trockengüterschifffahrt schwächer entwickelte. 2022 allerdings verzeichneten auch die Frachtraten für Flüssiggüter einen starken Anstieg, der hauptsächlich auf die Niedrigwasserperioden zurückzuführen ist. Zur Veranschaulichung des Anstiegs der Frachtratenindizes zwischen 2021 und 2022: Für den volatilen Trockengüter-Spotmarkt lagen die Frachtratenindizes am Ende des Jahres 2022 (Q3 und Q4) bei 240,9 bzw. 203,9, während sie noch zum Jahresende 2021 (Q3 und Q4) bei 118,1 bzw. 159,1 lagen. Bei den Flüssiggütern lagen die Frachtratenindizes im Jahr 2022 (Q3 und Q4) bei 140,7 bzw. 134,4 gegenüber 92,9 bzw. 114,2 im Jahr 2021 (Q3 und Q4).
- Im Jahr 2022 waren in Europa fast 10.000 Binnenschiffe in den Rheinstaaten, 3.500 in den Donaustaaten und 1.200 in anderen europäischen Ländern registriert. Insgesamt hat sich die Neubautätigkeit von 2016 bis 2020 erholt, wobei sie bei Flüssiggütern stärker ausgeprägt war als bei Trockengütern. Das Jahr 2021 war durch eine Abschwächung der Neubautätigkeit gekennzeichnet, die auf die pandemiebedingte Verschlechterung der Beförderungsnachfrage zurückzuführen war und sich 2022 noch verstärkte. Während die Zahl der neuen Trockengüterschiffe im Vergleich zu 2021 gleich blieb (21 Einheiten), ging die Zahl der neu gebauten Tankschiffe (31 Einheiten) gegenüber 2021 um 27 Einheiten zurück. Die Zahl der kleinen Trockengüterschiffe ist weiterhin rückläufig, während die Zahl der größeren Schiffe tendenziell zunimmt (Flüssiggüterschiffe) oder stabil bleibt (Trockengüterschiffe). Was die innovativen Entwicklungen in der Binnenschifffahrtsflotte betrifft, die zur Verringerung der Emissionen beitragen, so ist festzustellen, dass die Zahl der in Betrieb befindlichen innovativen Schiffe weniger als 0,2% der gesamten Binnenschifffahrtsflotte in Europa ausmacht. Ihre Zahl stieg jedoch zwischen 2021 und 2022 erheblich.
- Was den Passagierverkehr betrifft, so zeigen die Zahlen eine Erholung von der Covid-19-Pandemie. Bei den Flusskreuzfahrten zeigen die jährlichen Zahlen der Schiffsbewegungen auf der Donau, dem Rhein und der Mosel im Jahr 2022 einen bemerkenswerten Aufschwung im Vergleich zu 2021, der auch den Werten vor der Pandemie entspricht. Die Schiffsbewegungen auf der oberen Donau (an der deutsch-österreichischen Grenze) und der Mosel lagen um 5% bzw. 1% über den Werten vor der Pandemie im Jahr 2019. Diese Zahl lag auf dem Rhein jedoch immer noch um 6,5% unter dem Niveau von 2019. Neben den Schiffsbewegungen sind auch die Entwicklung der Passagierzahlen und die Auslastungsrate der Kreuzfahrtschiffe entscheidende Faktoren für die Bewertung der Erholung des Flusskreuzfahrtsektors. Die Zahlen für diese beiden Indikatoren bestätigen, dass Flusskreuzfahrten wieder deutlich zugenommen haben, auch wenn sie immer noch leicht unter dem Niveau von 2019 liegen.
- Trotz des Auslaufens der Covid-19-Pandemie verlief der Neubau von Flusskreuzfahrtschiffen im Jahr 2022 weiter eher langsam. Das Jahr war durch inflationäre Tendenzen gekennzeichnet, die zu einem Anstieg der Schiffsbaukosten beitrugen und dadurch die Neubautätigkeit behinderten, die auch im Jahr 2023 weiterhin schwach bleiben dürfte. Interessant ist, dass der bewaffnete Konflikt zwischen Russland und der Ukraine zu einer erhöhten Nachfrage nach Hotelkapazitäten für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine führte. Infolgedessen werden einige Schiffe als schwimmende Hotels genutzt, manchmal dauerhaft (insbesondere die ältesten Schiffe) oder parallel zu ihren Kreuzfahrtaktivitäten.
- Was das Beschäftigungsniveau im Passagierverkehr der Binnenschifffahrt in Europa betrifft, so ist zwischen 2019 und 2020 ein bemerkenswerter Rückgang zu verzeichnen. Dies ist auf die Covid-19-Pandemie zurückzuführen, die den Passagierverkehr schwer getroffen und den seit 2010 beobachteten positiven Trend unterbrochen hat. Die Zahl der Beschäftigten lag 2010 bei 17.895, 2019 bei 23.100 und 2020 bei 17.503. Die Zahl der Unternehmen ist jedoch seit 2013 kontinuierlich gestiegen (von 3.529 Unternehmen im Jahr 2013 auf 4.231 im Jahr 2020). Im Güterverkehrssektor folgte das Beschäftigungsniveau seit 2010 einem leicht rückläufigen Trend (23.300 im Jahr 2010, 22.365 im Jahr 2019 und 22.417 im Jahr 2020). Der Tiefpunkt der Beschäftigung wurde 2018 erreicht, was auf die Auswirkungen des Niedrigwassers zurückgeführt werden könnte. Die Zahl der aktiven Unternehmen in diesem Sektor folgte einem ähnlichen Trend (von 5.995 Unternehmen im Jahr 2010 auf 5.486 im Jahr 2020). Was den Nettoumsatz der Güterverkehrsunternehmen der Binnenschifffahrt in der EU (mit der Schweiz und Serbien) im Jahr 2020 betrifft, so wurden rund 6,6 Milliarden Euro registriert. Für die Passagierverkehrsunternehmen der Binnenschifffahrt belief sich dieser Wert im Jahr 2020 auf 1,6 Milliarden Euro.
- Insgesamt scheint der Ausblick für den Güterverkehr positiv zu sein, insbesondere ab 2024. Es ist jedoch schwierig, im Jahr 2023 eine genaue Prognose für die nahe Zukunft zu erstellen, da die Rahmenbedingungen aufgrund des bewaffneten Konflikts zwischen Russland und der Ukraine und der daraus resultierenden Energiekrise unbeständig sind. Bei Flusskreuzfahrten wird erwartet, dass die Nachfrage im Jahr 2023 wieder das Niveau von vor der Pandemie erreicht. Die Aussichten für die Neubautätigkeit bei Flusskreuzfahrtschiffen scheinen jedoch auf absehbare Zeit noch ungewiss zu sein.