• Insgesamt hat sich das weltwirtschaftliche Umfeld im Jahr 2022 für die meisten Rhein- und Donaustaaten eingetrübt. Nach der raschen Erholung der Weltwirtschaft nach der Pandemie im Jahr 2021 belasteten der bewaffnete Konflikt zwischen Russland und der Ukraine sowie die Auswirkungen der hohen Inflation, der schwachen Nachfrage, der niedrigen Wasserstände und des Wiederaufflammens der Pandemie in China die Güterbeförderung in der Binnenschifffahrt im Jahr 2022 ganz erheblich.
 
• Eine Ausnahme bildete der Kohlesektor, der einen erheblichen Anstieg seiner Nachfrage verzeichnete, begünstigt insbesondere durch die hohen Preise und die Lieferbeschränkungen für Erdgas aufgrund des bewaffneten Konflikts zwischen Russland und der Ukraine und der damit verbundenen Sanktionen. Schätzungen zufolge lagen die Erdgaspreise in Europa und die Preise für Kohle aus Übersee in den ersten drei Quartalen 2022 im Durchschnitt 420% bzw. 180% über dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre. Das Risiko von Preisspitzen bei Gas ist für den kommenden Winter 2023-24 weiterhin etwas erhöht.
 
• Das geschätzte BIP-Wachstum des Euroraums von 3,7% im Jahr 2022 (gegenüber 5,6% im Jahr 2021) soll 2023 unter 1% fallen und 2024 auf 1,6% ansteigen.

 

WIRTSCHAFTLICHER ÜBERBLICK

  • Die Weltwirtschaft ist nach wie vor mit Unsicherheiten konfrontiert, da sie zahlreichen Schocks ausgesetzt ist, insbesondere der Covid-19-Pandemie und dem bewaffneten Konflikt zwischen Russland und der Ukraine. Vor dem Hintergrund einer gedämpften Nachfrage, lang anhaltender Unterbrechungen der Lieferketten und steigender Rohstoffpreise war die Weltwirtschaft 2022 in vielen Volkswirtschaften durch eine hohe Inflation gekennzeichnet, was die Zentralbanken zu einer Straffung ihrer Politik veranlasste. Die Gesamtinflation ist jedoch seit Mitte 2022 rückläufig. Die globale, immer noch hohe, aber sinkende Inflation soll von 8,7% im Jahr 2022 auf 7,0% im Jahr 2023 sinken.
  • Das für 2022 auf 3,4% geschätzte globale Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) wird voraussichtlich auf 2,8% im Jahr 2023 sinken und auf 3,0% im Jahr 2024 ansteigen. Das schwache und ungleichmäßige Produktionswachstum ist auf die negativen Schocks seit Anfang 2022 zurückzuführen. Für die fortgeschrittenen Volkswirtschaften wird erwartet, dass das Wachstum im Jahr 2023 um die Hälfte auf 1,3% zurückgeht, bevor es 2024 auf 1,4% ansteigt. Für die Schwellen- und Entwicklungsländer sind die Schätzungen im Durchschnitt stärker als für die fortgeschrittenen Volkswirtschaften, aber immer noch uneinheitlich je nach Region, mit einer Wachstumsprognose von 3,9% im Jahr 2023 und 4,2% im Jahr 2024. In den Entwicklungsländern mit niedrigem Einkommen wird das BIP im Zeitraum 2023-24 voraussichtlich um durchschnittlich 5,1% wachsen.
  • Die Wirtschaftstätigkeit in Europa war 2022 angesichts der negativen Auswirkungen der Handelsbedingungen und der Sanktionen im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine widerstandsfähiger, als die Vorhersagen erwarten ließen. Um die Energiekrise zu bewältigen, führte die Europäische Union umfangreiche Stützungsmaßnahmen für Haushalte und Unternehmen durch. Darüber hinaus waren der Nachfragerückgang bei Gas aufgrund des milden Winters und die Umstellung der Industrie auf Gassubstitute entscheidend für die Wirtschaftsaussichten der EU.
  • Der Anstieg einer ansteckenderen Covid-19-Variante führte zu neuen Ausbrüchen. Die Krankheitsentwicklung im Jahr 2022 erreichte China, wo strenge Eindämmungsmaßnahmen und Beschränkungen eingeführt wurden, so dass im vierten Quartal 2022 ein Rückgang der Mobilität und der Wirtschaftstätigkeit zu verzeichnen war. Als die Covid-19-Wellen im Januar 2023 abklangen, normalisierte sich die Mobilität. Als wichtiger Akteur im Welthandel und wichtiges Exportland wird die Wiedereröffnung der chinesischen Wirtschaft wahrscheinlich positive Spillover-Effekte auslösen, insbesondere für Länder, mit denen China engere Handelsbeziehungen unterhält.
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    ABBILDUNG 1: PROZENTUALE VERÄNDERUNG DES BIP, KONSTANTE PREISE


    Quelle: IMF World Economic Outlook Database, Ausblick ab April 2023
     

HANDEL

  • Für das Welthandelsvolumen wird ein Rückgang des Wachstums von 5,1% im Jahr 2022 auf 2,4% im Jahr 2023 prognostiziert. In den letzten beiden Jahren war als Folge der Pandemie ein Rückgang der weltweiten Nachfrage sowie eine Verschiebung der Zusammensetzung der Ausgaben vom Warenhandel hin zum Handel mit Dienstleistungen zu beobachten. Im Jahr 2022 kam der Krieg in der Ukraine als zusätzliche Belastung für den Warenhandel hinzu. Es wird erwartet, dass sich dieser Trend 2023 fortsetzt.
  • Mit der Verstärkung der Handelsschranken im Jahr 2022 und den negativen Auswirkungen der Aufwertung des US-Dollars wurden die gehandelten Rohstoffe und Produkte (die häufig in US-Dollar abgerechnet werden) für zahlreiche Volkswirtschaften teurer. Dies führte zu negativen Spillover-Effekten auf das Wachstum des Welthandels im Jahr 2022, die voraussichtlich auch 2023 noch anhalten werden. Für die Binnenschifffahrt führte dies zu einem Rückgang der Nachfrage nach gehandelten Gütern im Jahr 2022, der auch 2023 anhalten dürfte. Dies wird ein Hindernis für das Wachstum des Güterverkehrs darstellen. Der Grund dafür ist die enge Beziehung zwischen dem Warenhandel und dem Güterverkehr, insbesondere im Hinblick auf den Containertransport.

 

ROHSTOFFPREISE UND IHRE AUSWIRKUNGEN AUF DIE BINNENSCHIFFFAHRT

 

    Rohöl

    • Zwischen 2021 und Mitte 2022 stiegen zunächst die Rohölpreise zusammen mit den Kraftstoffpreisen in der Binnenschifffahrt deutlich an. Ab der zweiten Hälfte des Jahres 2022, genauer gesagt zwischen August 2022 und Februar 2023, hörte dieser Anstieg auf. Tatsächlich sanken die Rohölpreise zwischen August 2022 und Februar 2023 um -15,7%, da die Nachfrage aufgrund der sich abschwächenden Weltwirtschaft zurückging. Den Märkten für Terminkontrakte zufolge werden die Rohölpreise um -24,1% zurückgehen und wird Rohöl im Jahr 2023 durchschnittlich 73,1 $ pro Barrel kosten, verglichen mit 96,4 $ pro Barrel im Jahr 2022; in den kommenden Jahren dürften die Preise weiter fallen, bis auf 65,4 $ im Jahr 2026.
    • Der Ölpreis ist ein wichtiger Indikator für den Verkehrssektor, da Rohölderivate für den Verkehr unverzichtbar sind. Auf der Angebotsseite dürften sinkende Rohölpreise im Jahr 2023 zu einer Senkung der Kraftstoffkosten für die auf dem Rhein tätigen Unternehmen führen.
    • Auf der Nachfrageseite wird die Gesamtinflation (die alle Rohstoffpreise berücksichtigt) im Jahr 2023 zwar voraussichtlich zurückgehen, aber sehr wahrscheinlich immer noch auf einem hohen Niveau bleiben. In Anbetracht der zunehmenden Auswirkungen globaler Handelshemmnisse wird mit einer Abschwächung der Nachfrage gerechnet, was zu der oben erwähnten Abwärtsbewegung der Ölpreise beiträgt.
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      ABBILDUNG 2: ROHSTOFFPREISINDIZES (2016=100)


      Quelle: IMF World Economic Outlook Database, Ausblick ab April 2023
       

    Gas und Kohle

    • Das erste Halbjahr 2022 war durch sehr hohe Gas- und Kohlepreise gekennzeichnet. In der zweiten Jahreshälfte gingen die Erdgaspreise am europäischen Handelsplatz1 von den Rekordwerten im August 2022 um -76,1% auf 16,7 $ pro MMBtu2 im Februar 2023 zurück, da die Befürchtungen zu Versorgungsengpässen nachließen. Die Preise erreichten Ende August fast 100 $ pro MMBtu, als die EU-Länder ihre Gasspeicher aus Angst vor Versorgungsengpässen im Winter eilig auffüllten. Dies geschah, nachdem Russland die Gaslieferungen aus den Pipelines in die europäischen Länder eingestellt hatte.
    • Für den Winter 2022-23 konnte eine Krise vermieden werden, da die Speicher in Europa aufgrund höherer LNG Importe und einer geringeren Gasnachfrage bei hohen Preisen sowie eines untypisch milden Winters gut gefüllt waren.
    • Der Nachfragerückgang aufgrund der Konjunkturabschwächung in China und die Substitution durch andere Energieträger wie Kohle trugen ebenfalls dazu bei, den Druck auf den globalen LNG-Markt zu verringern. Es besteht das Risiko, dass die Gaspreise im Winter 2023-24 steigen werden.
    • Spillover-Effekte von den Gasmärkten führten zwischen August 2022 und Februar 2023 zu einem Anstieg der Kohlepreise um +50,9%.

     
    Landwirtschaftliche Erzeugnisse und Lebensmittel

    • Im Jahr 2022 erreichten die Preise für Lebensmittel und Getränke aufgrund der Versorgungsengpässe im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine im Mai 2022 einen Höchststand. In der zweiten Jahreshälfte 2022 kam der Preisanstieg zum Stillstand, aber die Preise blieben auf einem hohen Niveau. In der Tat verbesserten sich die Angebotsaussichten, da ukrainischer Weizen und andere Erzeugnisse auf den Weltmarkt gelangten, nachdem die Initiative für den Schwarzmeerkorridor im November 2022 erneuert wurde.
    • Die hohen Preise waren auch für andere Regionen, wie die Europäische Union und Indien, ein Anreiz, die Weizenproduktion zu steigern. Zwischen August 2022 und Februar 2023 sind die Preise für Agrarrohstoffe angesichts der nachlassenden weltweiten Nachfrage um -9,1% gesunken. Ähnlich wie die Preise für Basismetalle haben sie sich jedoch in den letzten Monaten teilweise wieder erholt.

     
    Metalle

    • Nach einem ersten Anstieg in den Jahren 2021 und 2022 sank der Preisindex für Basismetalle unter das Niveau vor dem Beginn des bewaffneten Konflikts zwischen Russland und der Ukraine. Dieser Rückgang verstärkte sich nach der Invasion, wurde aber erst vor dem Hintergrund einer nachlassenden chinesischen Metallnachfrage auf breiter Basis wirksam, da auf diese etwa die Hälfte des weltweiten Verbrauchs an wichtigen Metallen entfällt. Mit der Wiederaufnahme der Wirtschafts- und Hafenaktivitäten in China und der Erhöhung der Infrastrukturausgaben erholten sich die Preise für Basismetalle teilweise und stiegen von August 2022 bis Februar 2023 um +19,7%.

     
     

    WIRTSCHAFTLICHE STIMMUNG – VERBRAUCHERVERTRAUEN

    • Zu Beginn des Jahres 2022 begann das Verbrauchervertrauen zu bröckeln und erreichte im September 2022 einen Tiefstand. Danach begann es sich zu erholen, was durch die besseren Erwartungen der Verbraucher hinsichtlich der allgemeinen Wirtschaftslage und der wichtigsten Kaufabsichten begünstigt wurde. Diese sind ein potenzieller Faktor zur Ankurbelung der künftigen Nachfrage und wirken sich folglich zunehmend auf die Aktivitäten im Verkehrssektor aus. Im Mai 2023 lag der Indikator der wirtschaftlichen Einschätzung bei 95,2, was einen Rückgang im Vergleich zum April 2023 bedeutet, als er 97,3 betrug.

     
     

    DIE WICHTIGSTEN FOLGEN FÜR DIE RHEIN- UND DONAUSCHIFFFAHRT IN KÜRZE

    • Der weltwirtschaftliche Kontext hat sich 2022 für die meisten Rhein- und Donauländer eingetrübt. So führte der bewaffnete Konflikt zwischen Russland und der Ukraine vor allem zu einem raschen Anstieg der Energiepreise und der Inflation in den Rhein- und Donauregionen. Für den rheinischen Güterverkehr hat neben anderen wichtigen Faktoren die Inflation den bereits geschwächten privaten Konsum weiter verschlechtert, was sich negativ auf den Containerverkehr auswirkte. Auf den Massengutmärkten in Europa führten die steigenden Energiepreise zu einem Anstieg der Produktionskosten. Dies wirkte sich auf die Massengutbeförderung insgesamt negativ aus, mit Ausnahme der Kohletransporte.